Darf ich mich vorstellen: Mein Name ist Leitlöwin. Mutig. Furchtlos. Ungezähmt.
Lajescha heisst „die Löwin“. Wenn man es ganz genau nimmt: „die Leitlöwin“. Ich weiss nicht genau, was sich mein Vater damals gedacht hatte, als er während seinem Theologiestudium den Namen entdeckte, aber für ihn war sofort klar: so heisst meine erste Tochter.
Lajescha (Laish/Lachisch) kommt aus dem Hebräischen und war im Altertum eine Stadt in der Nähe von Jerusalem, die aber bei einer der unzähligen Schlachten von den Assyrern (einem antiken Volk) zerstört wurde. Das war wohl weniger, was meinen Vater damals inspiriert hatte. Doch völlig unbedeutend war es nicht für den weiteren Verlauf meiner Geschichte.
Ich bin nicht jüdisch, aber ich teile mit den Juden die Überzeugung, dass Namensgebung bedeutungsvoll ist und Kraft hat.
Das heisst nicht, dass ich mich schon immer mit der Bedeutung meines Namens identifiziert habe. Mein Grundgefühl, das über viele Jahre anhielt, war wohl öfters das der zerstörten Stadt als das einer ungezähmten, majestätischen Löwin.
Aber irgendwo tief drin wusste ich immer, dass ich das Herz einer Löwin habe (auch wenn ich mich gerade innerlich winde bei dieser kitschigen Bezeichnung): furchtlos, wild, ungebändigt, sich für seine Schützlinge kompromisslos einsetzend, schön, mütterlich, beschützend und eben: Die Leitlöwin - immer zuvorderst, bereit sich in die Schlacht zu werfen, egal wie viele Wunden sie schon am Körper trägt. In all den Jahren habe ich mich mir dieses Bild immer wieder vor Augen gehalten und gemerkt, wie sich mein inneres Empfinden langsam aber stetig in diese Richtung verwandelte.
Vielleicht weisst du nicht, was dein Name bedeutet, vielleicht hat es dich auch nie interessiert.
Ich glaube auch nicht, dass die Kraft der Namensgebung beim Rufnamen stehenbleibt. Ich glaube es geht viel tiefer.
Wie oft betiteln wir uns im Selbstgespräch (hörbar oder auch nur im Kopfkino) mit Namen, die wir meist nicht mal unserem ärgsten Feind anwerfen würden: Versagerin, schwarzes Schaf, Aussenseiterin, Ungeliebte/Unbeliebte, Unattraktive, Hässliche, Immer alles Falsch Machende, Zu wenig Intelligente, Beziehungsunfähige, Unweibliche/Unmännlicher, Anstossende/Aneckende, Nicht-Begehrenswerte, Nie Verstandene, Gemobbte, Feigling, Perfektionistin (mit negativem Unterton), Langweiler, Einzelgängerin, Nicht-Gewollt-Seiende, Streberin, Ewig Zweite, Nichts-auf-die-Reihe-Bringende, Unordentliche, Verpeilte, Unfähige, Schwächling, Angsthase.
Ach die Liste ist endlos (und auch nicht auf die weiblichen Endungen beschränkt!).
Ich glaube an die Kraft der Namensgebung. Vielleicht fühlt nicht jeder eine so starke Verbindung mit seinem Rufnamen wie ich, aber das ist letztendlich auch gar nicht entscheidend.
Die Frage ist vielmehr, mit welchen Namen wir uns täglich selbst ansprechen.
Sind sie liebevoll, wertschätzend, hoffnungsvoll und ermutigend? Erlaube ich mir selbst eine Mutige, Schöne, Kraftvolle, Siegende/Überwindende, Ungezähmte, Liebevolle, Inspirierende, Furchtlose zu sein?
Ich nehme letztendlich das Bild an, das ich mir von mir selbst mache.
Deshalb habe ich mich entschieden, das der Leitlöwin anzunehmen.
Was ist dein Selbstbild?
Liebe Lajescha
Wie immer, interessant und gut geschrieben und dies mal «gut gebrüllt»! Danke für deine Gedanken.
Mein Name hat auch grosse Bedeutung. Das hat mich aber noch nie richtig interessiert. Stolz bin ich, dass ich den gleichen Namen wie mein Grossvater habe. Dies ist für mich eine besondere Ahnenverbindung. Ich beschäftige mich in letzter Zeit mehr mit den Ahnen und den Möglichkeiten das Ahnenwissen zu aktivieren. Da die Ahnen immer noch für uns da sind, uns unterstützen und wir all ihr Wissen in uns haben, bin ich der Meinung, dass wir für unsere Zukunft unbedingt dieses Ahnenwissen wieder hervor holen müssen.
So oder so, haben wir eine interessante Zukunft vor uns, ob mit Ahnenwissen oder als Leitlöwin.
Herzlichst
Christian